Ein Drama mit fadenscheiniger Bindung
April 2017 fertig, halbfertig, oder mindestens fast etc. etc. etc.

Prolog

Kommet her und schauet hier
ich bin es, der König Lear

Ihr wisst, ich bin ein kluger Mann
doch damit manchmal auch arm dran
hört die Geschicht´ und lasst euch sagen
mitunter geht’s an deinen Kragen

Doch hört nun zu und gebet Ruh
erzählt ist alles ganz im Nu

Erster Akt

Dereinst wollt´ ich von meinen Töchtern
Wissen gern, wie sie mich möchtern
Auf dass gerecht mein Erb ich teile
Dies betrug sich vor ´ner Weile

Ich frug sodann die erste Eine
Erst die Großen, dann die Kleine
Die Eine ist die Goneril
Die ich als jetzto fragen will

Ich frug sie also
Und sie begann
Sogleich
Mit ihrem Zirp-Gesang

Du bist Vater und auch König
Kommst du zu mir, hach, ich verwöhn dich
Ich lieb dich mehr als diese Sonne
Lacht sie und küsst mich, welche Wonne

Und du, mein nächstes Töchterkind
Was sagest du, ach, sach´s geschwind

Die Regan ließ nicht lang sich lumpen
Nahm erst ´nen Schluck aus ihrem Humpen
Und hub dann mit dem Sprechen an
Und das tat sie so ziemlich lang

Du bist, sagt sie, der Eine, Meine
den ich im Leben nicht verneine
Mein Leben ist mir gar nichts wert
Liebst du mich nicht, renn ich ins Schwert

Du bist mir Sonne, Mond und Sterne
Siehst´, so sehr habe ich dir gerne
Mir nahm´s den Atem, schlug die Brust
Dies hat´ ich ja noch nicht gewusst

Nun kam die Letzte an die Reihe
Ich frug sie schon mit heisrem Schreie

Mein Kind, du Liebstes, was sagst du
Ihr andren Schwestern gebet Ruh
Dass ich Cordelias Worte höre
Und mir das Herz noch mehr betöre

Die Kleine schwieg erst eine Weile
Sie dachte nach und ohne Eile

Mein Vater, sagte sie dann sanft
Mein Herz schlug heftig, fast verkrampft
Mein Vater, was du für mich bist
Hast du ja schon längst gewisst

Ich liebe dich als wie ich soll
Dass das so ist, das find ich toll

Dir aber all mein Lieb zu geben
Das kann ich nicht in diesem Leben
Ich muss noch etwas übrig halten
Für meinen Liebsten, meinen Alten

So sprachet sie und sah mich an
Ne Fratze ins Gesicht mir sprang
Was sagest du, du Ungeheuer
Bin ich dir wirklich nicht mehr teuer

Doch, sagt sie
Ich frage, wie

Sie schwieg, mir kamen fast die Tränen
Die Anderen, die Schwestern, gähnen
Mir kocht das Blut in echter Wut
Reiß mir den Bart und werde hart

Du bist verbann aus meiner Welt
Von mir kriegst du kein Gut noch Geld
Schnell jage ich sie hin zum Tore
Reiss vorher sie noch fest am Ohre

Zweiter Akt

So teilt mein Reiche ich nun den Andern
Und ging dann mal nach Flandern Wandern
Kam bald zurück, mit meinen Mannen
Setzt mich so froh zu Goneril´s Tannen

Mein liebes Kind, sprach ich, mich dürstet
Und meine Stiefel sind noch nicht gebürstet
Bring mir von Allem was du hast
Ich weiß, ich bin dir keine Last

Sie sieht mich an mit kaltem Blicke
Als dass sie mich zur Hölle schicke

Das Wasser hier sei dir genug
Sie füllt es gleich in einen Krug
Ich springe auf – das ist Betrug
Von dir hab´ ich schon jetzt genug

So eile ich in Windeseile
Weil keine Zeit ich hier verweile
Zu meiner nächsten Tochter nun
Um mich bei der mal auszuruh´n

Die liebe Reagan, gutes Kind
Eilt mir entgegen wie der Wind

Ach, Vater, hier kannst du nicht sein
Mein Lobgesang auf dich war Schein
Sie schubst mich fast, sie hebt die Hand
Ich taumele rückwärts ungalant

Falle in den Graben rein
Oha, es stinkt, es stinkt nach Schwein
So ist die Welt nun ziemlich düster
In meinem Herzen dämmert´s wüster

Kein Ort, kein Labsal, kein Genuss
Das Ganze ist nur noch Verdruss
Ich triefe feucht von stinkend Wasser
Die Tränen machen mich noch nasser

Wend mich nach hier und auch nach da
So langsam wird mir auch was klar
Wie schal der Schein und das Getue
Ich will jetzt nur noch meine Ruhe

Wo komm ich her, wo geh ich hin
Was ich doch für ein Trottel bin

Dritter Akt

Beraubt der Hoffnung geht es weiter
In diesem Leben und gescheiter
Doch trotz gescheit, es macht sich breit
Ein Hüngerchen sehr bald und weit

Der Kleine erst, dann der Große
Wo ist das Hühnchen mit der Sauce
Nichts von allem ist mehr da
Das ist bitter, bitter wahr

Die grause Welt seh´ ich mit Schrecken
Ich geh am Stock, och, eher Stecken

An Nacht und Tag find ich kein Lab
Durch grause Stürme ich nun trab
Wohin soll ich mein Haupt nun wenden
Kann dieser Weg nicht einfach enden

Der Weg, verschlungen durch die Welt
Die sich an keine Wahrheit hält
Sich windet mit viel Ungemach
Was mir nun bleibt ist nur die Schmach

Vierter Akt 

So klamm und heimlich schleicht sich ein
Ich selber bin das grobe Schwein
Noch nützt es nicht, mir das Erkennen
Der Hunger macht mich weiter rennen

Er grollt und beißt und kneift und saugt
Doch dann hab´ ich ein Licht erschaut
Ganz hinten an der Erden Rund
Tut sich eine Hütte kund

Das kleine Licht bekommt Kontur
Ob ich da klopfe, frag ich mich nur
Wer bin ich denn, ich alter Mann
Der außer Hoffen gar nichts kann

Was hab´ ich außer Gold gegeben
In meinem König Leary Leben
Wer einst sich auf mein Treu verlassen
Der muss den alten Trottel hassen

Und doch, ich klopfe an diese Türe
Wobei ich ziemlich Freude spüre
Was für eine recht bescheiden Heim
Macht mir doch auf, lasst mich doch ein

Fünfter Akt

Das Türchen in den Angeln bebt
So was hab´ ich noch nicht erlebt
Es knirscht und kracht
Doch ist´s vollbracht

Man fragt mich fein, willst du herein
Nicht schöner können Worte sein
Ich nicke stumm und muss mich bücken
Um unterm Türstock durchzudrücken

Da drinnen auf dem Herde ruht
Die Suppe und der Duft ist gut
In meinem Wanste sitzt ein Tier
Das springt und knurrt nur noch vor Gier

Doch weise bin ich nun geworden
Als man zur Suppe bittet, sag ich: Morgen
Was für ein königlich Verzicht
Bei diesem köstlichen Gericht

Mein Aug ist trüb und bös der Magen
Hilft Gott mir, jetzt nicht zu verzagen
Er hilft, und mit der neuen Stärke
Mach ich mich sogleich ans Werke

Wer seid ihr denn ihr schlichten Leut´
Die Engel hören mein Geläut
Ach, du guter, alter Mann
Iss doch was du willst und kannst

Sehn wir doch an deinen Füssen
Was das Leben gibt an Grüßen
Nimm nur und erzähle uns
Von des wirren Lebens Kunst

Was war es, was hat dich beschwert
Was war gegeben, was verwehrt
Was trieb dich um und was gelang
Wenn man´s beim Essen sagen kann

Ich blickte auf und blickte nieder
Was, zum Teufel, ist das nun wieder
Konnte ich das Ding nicht kennen
Mir tat es in den Augen brennen

Allzu bekannt und wohlvertraut
Sah ich des Mädchens helle Haut
Ach, das Mädchen, fast schon Frau
Licht wie Flammen, hell wie Tau

Alles tat beinander liegen
Eng umschlungen wie die Fliegen
Auch die Stimm´ klang mir bekannt
Hinter ihr die weiße Wand

Cordelia, mein liebstes Kind
Bist du´s wirklich, sag´s geschwind
Der argen Täuschung war´s genug
Kann kaum noch glauben vor Betrug

Ich bitte dich, lass es mich wissen
Plagt mich doch selber mein Gewissen

Ich bin´s, die Tochter, die Verschmähte
In letzte Zeit ich sehr viel nähte
Verdiente was wir alle brauchen
Sag, will du jetzt mal eine rauchen

So einfach war der Tochter Lieb
Der Alte freute sich und blieb

Epilog

So wendet sich des Schicksals Bild
Man tanzte rund und ziemlich wild
Man hielt am Arme sich und Zöpfen
Die Freudentränen taten tröpfen

Lieber Leser sei gewiss
Dass alles so gewesen ist

Und wenn du´s es anders haben willst
Malst du dir jetzt dein eignes Bild

Berlin, April 2017